Aber will man wirklich eine Gesellschaft, in der jeder einen Anspruch darauf hat, von dem, was seine Herzensangelegenheit ist, leben zu können?

Der Verfasser stellt in seinem Artikel
der auf Zeit online erschienen ist, die Frage:
„Aber will man wirklich eine Gesellschaft, in der jeder einen Anspruch darauf hat, von dem, was seine Herzensangelegenheit ist, leben zu können?“ 
 
Im Hinblick auf das Gedichteschreiben beantworte ich das mit einem klaren JA. (Allerdings … Journalisten, die solche Fragen schon jetzt in die Welt setzen, denen sollte, wenn sie irgendwann in die finanzielle Bredouille kommen, diese „eine Gesellschaft“ jeden Tag Kuchen und Rotwein ans Bettchen bringen, bis zum Gehtnichtmehr.)
Ich sehe diesen Beitrag aus der Perspektive: Gestern waren’s „die Griechen“, heute sind’s die DichterInnen und -Außen und übermorgen „hol ich der Königin ihr Kind“.
Ach, wie gut, dass heute gerade noch so Kindertag ist. Es kriegt nicht ein Kind ganz viel Urlaub und ein Kind ganz wenig.
 
Der „Abwärts“ hat vor einiger Zeit mal eine schöne Anregung gegeben, etwas zu schreiben zu „Lyrik wäscht sich nicht“. Vielleicht ist dieser schlaumeierische Beitrag wieder so ein beflügelnder Anlass – nicht nur für den „Abwärts“.
Beuys gab die Auskunft, dass er sich durch Kraftvergeudung ernährt. In dieser Art und Weise ernährt sich die Gesellschaft von den Herzensangelegenheiten der Dichter. Hoffen wir nicht nur, dass das so bleiben kann. Lassen wir’s uns eine Freude sein, darüber zu schreiben, wo und wie auch immer. Habt Freude dabei! Alle Dichter, denen es nicht ganz so gut geht, sind mit euch. Vielleicht doch die meisten.
 
Mitte Mai hätte Matthias Baader Holst seinen 55. Geburtstag gefeiert – oder? Ich habe den Eindruck, dass diese hyperkluge Fragestellung die rechte Vorlage für Baader Holst hätte sein können, um – linkisch-elegant-aktionswillig – einige igelzärtliche Kommentarworte zu formulieren, in Gedichtform.
Die „Briefe an die Jugend von 2017“, die einst eingemauert waren in einen Sockel, in einer Gegend in oder bei Bitterfeld, sollen da, hinter der Metallplatte nicht mehr sein. Schade. Es hätte zum Tag der Oktoberrevolution eine nette gemeinschaftliche Aktion geben können, mit Modemodels, viel nacktem Bein, nacktem, bloßem Dichter-Wort und Verlesung der Texte. Beispielsweise. Nu sind se schon wech … Baader Holst jedenfalls las vor Jahren dort / vor Ort, und ich meine, diese, seine „schleppende Art und Weise“ ist der Durchhaltemodus, der für uns (die weniger Ganz-Blitzschnellen) hilfreich sein wird. Nein, ich behaupte, ich weiß das sicher. Diese Schlepptau-Schwere kommt den Athener 36-Grad-Temperaturen nahe, bei denen man es immernoch schaffen kann, Texte ins Deutsche zu bringen, auch, wenn es gar nichts Kühles mehr gibt und diese Hitze nie mehr aufhören will …
Auch derartige Fragen, wie die aus dem Beitrag, werden wohl wieder und wieder „aufploppen“. Ich habe den Eindruck, wir sollten sie zum Thema machen, da, wo jeder gerade ist. Bezug darauf nehmen, darauf aufmerksam machen, sie in den Raum stellen, weitere Fragen aufwerfen. Wie man so sagt: Macht es, wie ihr wollt.
 
Fröhlich besorgt ist möglicherweise nicht gleich jeder von Geburt aus sowieso. Ich musste es werden. Es wurde vor nicht allzu vielen Jahren gesagt, es könne nicht sein, dass in Europa der eine etwas mehr Urlaub macht und der andere etwas weniger. (Zu denen, die etwas weniger Urlaub machten als andere, gehörten die Dichter. Nähmen wir Angela Merkel beim Wort, dann würde das bedeuten, dass es nicht sein könne, dass die Dichter etwas mehr Urlaub machen. Und so, wie ich „die Dichter“ kenne, liegt ihnen kaum etwas ferner als Urlaubmachen. Ebenso „den Griechen“.)
Die Folgen dieser Aussage erleben wir ständig. Wir erleben, was „das mit Europa gemacht hat“, diese Überzeugung, dass „andere“ in ihrem Land überwiegend mehrheitlich noch mehr Urlaub machen als wir fleißigen Deutschen dort. Es wird bereits vorbereitet darauf, dass die nächste Finanzkrise kommt und „der deutsche Steuerzahler“ sein Geld verlieren. Da können die Dichter in diesem Land wohl noch von Glück reden, wenn sie dann nicht die „neuen Griechen“ sein werden, wie auch andere, die nicht die rechte Leistung bringen.
 
Sag mir, wo die Blumen sind; denn auch dass passierte bereits: die Wiederentdeckung dieses Gedankens:
Victor Klemperer: „Worte können sein wie winzige Arsendosen, sie werden unbemerkt verschluckt, sie scheinen keine Wirkung zu tun, und nach einiger Zeit ist die Giftwirkung doch da.“
 
Seid schön gegrüßt und nicht durcheinander gebracht,
 
Ina